ArbG Köln: Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts bei Pilgerreise nach Mekka unwirksam

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 11.02.2009

Das ArbG Köln hat mit einem bemerkenswerten Urteil vom 12.8.2008 (17 Ca 51/08) der Klage einer Busfahrerin stattgegeben, der wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts außerordentlich gekündigt worden war. Die Klägerin ist praktizierende Muslimin und als Busbegleiterin tätig. Ihre Aufgabe besteht darin, geistig bzw. körperlich behinderte Kinder bei Schulbusfahrten zu begleiten und zu betreuen. Ihrem Wunsch, vom 3. bis 19. Dezember 2007 Urlaub für eine Pilgerreise nach Mekka zu erhalten, hatte die Beklagte abgelehnt und die Klägerin auf die Schulferien verwiesen. Die Klägerin setzte sich über dieses Verbot hinweg und trat die Reise an.

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, dass die erforderliche Interessenabwägung (§ 626 Abs. 1 BGB) hier zur Unwirksamkeit der Kündigung führe, obwohl nicht genehmigter und gleichwohl eigenmächtig angetretener Urlaub an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung abzugeben. Als entscheidend hat es dabei den Vortrag der Klägerin bewertet, dass Urlaub für eine „Große Pilgerfahrt," die zu den fünf Geboten für Moslems zähle, wegen des Termins zwei Monate nach Ende der Fastenzeit, die sich jährlich um 10 Tage nach vorne verschiebe, für sie erst in 13 Jahren während der Schulferien genommen werden könne. Dann wäre Sie selbst aber bereits 64 Jahre alt und ihre jetzt schon 74 Jahre alte Mutter könne dann kaum noch ihr eigenes schwerstbehindertes Kind betreuen.

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8 Kommentare

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Traurig, traurig ... die Rechtsprechung beugt sich mehr und mehr den Religionen, speziell dem Islam. Es heißt zwar "Iuris prudentia est divinarum atque humanarum rerum notitia, iusti atque inuisit scentia", aber man sollte sich mal das Zeitalter dem dieses Zitat entstammt vor Augen führen.

Quo vadis Iuris prudentia? :-(

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Ihre Taurigkeit kann ich nicht nachvollziehen. Mitnichten hat sich das Gericht in der von Ihnen antizipierten Art "einer Religion gebeugt". Es hat vielmehr eine differenzierte Einzelfallabwägung getroffen, die in meinen Augen zu keinem unbilligen Ergebnis führt.

Falls Sie sich Sorgen um den Bestand des BUrlG machen sollten Sie Ihr Augenmerk lieber auf den EuGH richten. Von dort dräut größere Gefahr.

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Die Arbeitnehmerin hat gegen ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen. Tja, sowas kommt vor. Eine Kündigung ohne Abmahnung kann das nur rechtfertigen, wenn der Verstoß das Vertrauensverhältnis zerstört und das ist nur der Fall, wenn zukünftige Verstöße zu befürchten sind. Nach meiner Kenntnis ist für Muslime aber nur eine einzige Pilgerfahrt nach Mekka nötig. Damit ist keine Wiederholungsgefahr zu erkennen.

Mit der Religion der Arbeitnehmerin hat die Entscheidung m.E. nichts zu tun. Hier hat das Arbeitsgericht nach allgemein Regeln eine Entscheidung getroffen. Und Lohn kann die Arbeitnehmerin für die Zeit ihrer Reise wohl auch nicht verlangen - wirtschaftlich ist die Sache also ausgeglichen.

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Was mir nicht einleuchtet, ist, warum die Klägerin die Pilgerreise nicht ein Jahr zuvor unternommen hat. Ende 2006 fielen die Tage, während derer der Haddsch durchgeführt werden kann (8.–12. Dhu'l Hiddscha), nämlich genau in die Weihnachtsferien.

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Ich finde, wenn ein Arbeitnehmer trotz eindeutiger Ablehnung des Antrags und Androhung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen eigenmächtig den Urlaub antritt, ist sehr wohl mit Wiederholungsgefahr zu rechnen. Letztlich ist die Rechtfertigung für dieses Vorgehen nicht wirklich nachprüfbar. Mit ein wenig Fantasie lässt sich immer eine solche Geschichte vortragen. Diesmal war es die Pilgerfahrt, morgen der Weltkatholikentag und übermorgen das Jüngste Gericht.
Die ANin hätte problemlos vorher das ArbG anrufen und auf Gewährung des erwünschten Urlaubs klagen können.
Hier wird Arbeitnehmerschutz überdehnt.

Der AG muss sich allerdings fragen lassen, warum er nicht vorsorglich ordentlich gekündigt hat.

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Der eigenmächtige Urlaubsantritt stellt für mich einen Verstoß dar, der das Vertrauensverhältnis derart erschüttert und vor dem geschilderten Hintergrund auch für die Zukunft weitere Vergehen befürchten lässt.

Zumindest eine ordentliche Kündigung - auch ohne vorherige Abmahnung - müsste die Folge sein. Eine solche Verhaltensweise eines Arbeitnehmers ermutigt auch andere, ähnliche Verhaltensweisen nachzuahmen. Der Arbeitgeber kann nicht mehr darauf bauen, dass Urlaubsbeantragungen seiner Zustimmung bedürfen. Abgesehen davon hat selbst bei wirtschaftlicher Ausgeglichenheit die unerwartete Urlaubsnahme mit Sicherheit zu erheblichen betrieblichen Störungen geführt: wer hat die behinderten Kinder nun bei den Busfahrten begleitet? konnte eine Ersatzkraft zu gleichem Lohn gefunden werden? sind evtl. Begleitfahrten ausgefallen wegen des eigenmächtigen Urlaubsantritts?

Jakobi

 

 

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Ich stimme Jakobi vollkommen zu. Auch wenn es sich bei dem Urteil um ein Urteil erster Instanz handelt, so wird es sich doch dank der modernen Medien schnell herum"sprechen", so dass Nachahmer durchaus zu erwarten sind. Das religiöse Bekenntnis und die damit verbundenen Riten sind zwar ein schützenswertes Interesse. Jedoch hat man sich an entsprechende Verhaltensregeln der weltlichen Sphäre zu halten. Man stelle sich nur einmal vor, dass ein solches Verhalten jeder an den Tag legen würde ... das würde Chaos geben.

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So Chef, ich bin dann mal im Urlaub. Meine Religion verlangt von mir, daß ich mich draußen aufhalte, wenn die Sonne scheint. Da der Wetterbericht für dieses Wochenende gutes Wetter voraussagt, kann ich nicht zur Arbeit kommen. Fragen muß ich ja nicht mehr, wie das ArbG Köln mit Urteil vom 12.8.2008 (17 Ca 51/08) entschieden hat.

*kopfschüttel*

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