LAG Hessen: Unwirksamkeit einer "herausgreifenden Kündigung"

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 09.02.2009

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat mit einem erst jetzt veröffentlichten Urteil vom 10.9.2008 (6 Sa 384/08) den Kündigungsschutzklagen von Mitarbeitern stattgegeben, denen der Missbrauch eines "Payback"-Sondercoupons vorgeworfen worden war. Die Arbeitnehmer hatten u.a. geltend gemacht, dass der Arbeitgeber in anderen namentlich benannten Fällen von 11 weiteren Mitarbeitern, u.a. auch der Teamleiterin und der stellvertretenden Marktleiterin, trotz ebenfalls festgestellter mehrmaliger Einlösung des Sondercoupons keine Kündigung ausgesprochen habe.

Das LAG ist dieser Argumentation im Ergebnis gefolgt. Zwar sei der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Beurteilung einer Kündigung nicht unmittelbar anzuwenden, weil er mit dem Gebot der umfassenden Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls - wie er für eine Kündigung erforderlich sei - nur beschränkt zu vereinbaren sei. Jedoch könne der Gleichbehandlungsgrundsatz mittelbare Wirkungen erzielen. Er schließe eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht aus, sondern sei als ein maßgeblicher Gesichtspunkt in die Abwägung einzubeziehen. Würden mehrere Kündigungen wegen eines gleichartigen Kündigungsgrundes ausgesprochen, hänge es von den bei jeder Kündigung zu  berücksichtigenden Besonderheiten ab, ob die Kündigung aller Arbeitnehmer gerechtfertigt sei. Bei gleicher Ausgangslage müsse der Arbeitgeber, der nach einer selbst gesetzten Regel verfahre, darlegen, weshalb er in einem Fall hiervon abweiche. So dürfe er nicht ohne sachliche Differenzierungsgründe bei einem von mehreren Arbeitnehmern gemeinsam begangenen Prämienbetrug nur zwei Arbeitnehmern kündigen und es bei dem anderen, ebenso belasteten Arbeitnehmer bei einer Verwarnung belassen. Im Ergebnis müsse er die Gründe darlegen, die eine differenzierende Behandlung mehrerer Arbeitnehmer im Lichte des Kündigungsschutzes sachlich rechtfertigten, woran es im Streitfall gefehlt habe.

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