Patientenverfügung: Gesetzgeber muss über drei konkurrierende Entwürfe entscheiden

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 27.01.2009

Dem Bundestag liegen derzeit drei Gesetzesentwürfe zur Patientenverfügung vor. Nach jahrelanger Diskussion dürfte im ersten Halbjahr 2009 eine Entscheidung fallen. Hier ein Überblick über die geltende Rechtslage und die Positionen:

Hintergrund: Rechtslage zum Teil unklar

Unstreitig ist die Rechtslage für den Fall, dass der Sterbevorgang begonnen, der Patient das Bewusstsein verloren hat und der Krankheitsverlauf irreversibel ist. Dann können die Maschinen immer abgestellt werden. Die Behandlung darf auf eine bloße Schmerzlinderung umgestellt werden. Zu der Frage, ob eine Patientenverfügung wirksam ist, die Anweisungen für die vor der unmittelbaren Sterbephase liegende Zeit gibt, liegen Urteile vor, die unterschiedlich ausgelegt werden. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Patientenverfügung zum Behandlungsabbruch grundsätzlich zu beachten ist, wenn ein Patient einwilligungsunfähig ist, sich also aktuell nicht äußern kann (Beschluss vom 17.03.2003 Az. XII ZB 2/03, LMK 2003, 103 undBeschluss vom 08.06.2005 Az. XII ZR 177/03, DNotZ 2005, 924). Klar ist auch, dass eine Behandlung ohne Einschaltung des Gerichts abgebrochen werden kann, wenn der Betreuer das aufgrund der Verfügung verlangt und der Arzt keine Behandlung mehr anbieten will. Nur wenn kein Konsens gefunden wird, muss das Vormundschaftsgericht angerufen werden. Fraglich ist hingegen, ob eine Behandlung nur beendet werden darf, wenn die Krankheit bereits einen «irreversiblen tödlichen Verlauf» genommen hat. Die Rechtslage ist hier nicht klar.

Stünker: Patientenverfügung im Kern verbindlich

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Joachim Stünker hatte einen Antrag vorgestellt, der Patientenverfügungen im Kern immer für verbindlich erklärt: «Zum Recht auf Selbstbestimmung gehört, Entscheidungen für die Zeit zu treffen, in der man etwa nach einem Unfall oder bei schwerer Krankheit nicht mehr entscheidungsfähig ist. Das Selbstbestimmungsrecht wäre entscheidend entwertet, wenn es Festlegungen für zukünftige Konfliktlagen, in denen der Patient nicht mehr entscheiden kann, nicht umfassen würde.» Stünker will das Vormundschaftsgericht jedoch einschalten, wenn der Betreuer und der Arzt über die Auslegung einer Verfügung uneinig sind.

Zöller: Zeugen können Willen mündlich übermitteln

Der Vorstoß von Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) ist einerseits enger, andererseits weiter gefasst als das Modell von Stünker. Anders als dessen Vorschlag verlangt das Zöller-Konzept keine schriftliche Verfügung. Auch durch Zeugen übermittelte Bekundungen können danach beachtlich sein. Die entsprechende Anordnung soll aber «keinen Automatismus» zur Folge haben. Ärzte, Betreuer und im Zweifel weitere Angehörige müssten vielmehr immer darüber beraten, ob die Verfügung auf die konkrete Situation des Patienten tatsächlich noch zutrifft. Ziel dieses Antrags sei es, die derzeitige «gute Praxis» in Krankenhäusern gesetzlich abzusichern

Bosbach: Qualität der Beratung entscheidet über Verbindlichkeit

Die strengsten Vorgaben enthält der Vorschlag des stellvertretenden Unions-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Bosbach (CDU). Er unterscheidet den Grad der Verbindlichkeit einer Verfügung danach, ob diese nach Beratung durch einen Arzt und einen Notar abgefasst wurde. Ist dies der Fall, solle die Verfügung für alle Phasen der Krankheit verbindlich sein. Sie dürfe höchstens fünf Jahre alt sein. Ist die Verfügung hingegen nicht notariell beurkundet, soll sie dennoch nicht wertlos sein. Die Anordnung eines Behandlungsabbruchs, der den Tod nach sich zieht, ist dann verbindlich, wenn eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit vorliegt. Diesen Fall werden die meisten Bürger vor Augen haben, wenn sie eine Patientenverfügung abgeben.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen