Was geht in den Köpfen von Politikern vor, die Dietrich Bonhoeffer als "gewöhnlichen Landesverräter" verunglimpfen?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 21.01.2009

Im vergangenen Jahr behauptete Martin Lüttke, CDU-Mitglied und Präsident der baden-württembergischen "Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke", in einer Sitzung, Dietrich Bonhoeffer sei keineswegs ein Widerstandskämpfer, sondern eher ein "gewöhnlicher Landesverräter" gewesen (Quelle: FAZ Nr. 17 vom 21.1.2009 S. 2).

Vor wenigen Tagen verhängte das AG Karlsruhe eine Geldstrafe in Höhe von 3000 €, weil die Äußerung eine "grobe und schwerwiegende Herabsetzung" und damit auch eine Verunglimpfung Bonhoeffers sei. Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist in § 189 StGB unter Strafe gestellt. Nun will die CDU doch noch ein Parteiordnungsverfahren einleiten.

Ein Einzelfall - gewiss; aber er belegt, dass manche Mitbürger sich der Geschichte offensichtlich bewusst verschließen. Warum nur?

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2 Kommentare

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Sehr schön, dass die CDU mit einem Parteiordnungsverfahren reagiert.

Als geeignete Maßnahme stelle ich mir 20 Stunden soziale Arbeit beim nächsten Kongress des "Evangelischen Arbeitskreises in der CDU" vor. Der gute Mann sollte dann ein 8 Stündiges Referat über Dietrich Bonhoeffer halten oder wahlweise Tische und Stühle schleppen.

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In diesem Zusammenhang darf man auch an die Trauerrede des Ministerpräsidenten Öttinger für den verstorbenen Nazirichter und "furchtbaren Juristen" (Hochhuth) Filbinger erinnern, der Ende der 70er zurücktreten musste, als herauskam, dass dieser noch kurz vor Kriegsende an Todesurteilen mitgewirkt hatte. Öttinger hatte in seiner Rede wohl in Anlehnung an die Arbeit des Orwell'schen Wahrheitsministeriums dem Filbinger bescheinigt, generell ein ganz feiner Kerl und überhaupt auch ein strikter Nazigegner gewesen zu sein. Dies verteidigte er später mit den Worten "„Meine Rede war öffentlich, ernst gemeint, und die bleibt so stehen.“ bevor er dann doch unter den Attacken der linken Presse (und Frau Merkel) abschwor.

Manch schlechter Mensch und Paranoiker mag daraus fälschlicherweise auf eine allgemeine Strategie der CDU schließen wollen, einerseits Regimegegner als "Landesverräter" zu verunglimpfen und andererseits die willfährigen Gehilfen des Mörderstaates als all around good guys zu portraitieren. Ich halte das für rundheraus abwegig, da die CDU anerkanntermaßen eine Partei der Rechtsstaatlichkeit und der Gerechtigkeit ist. Einzelne ungeschickte und eventuell absichtlich missverstandene Formulierungen unterer Parteichargen können schwerlich der gesamten Partei zugerechnet werden.

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