Ausblick Januar 2009: BAG entscheidet über Zillmerung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 30.12.2008

Am 14.1.2009 verhandelt der 3. Senat des BAG über die Revision gegen das Urteil des LAG München vom 15.3.2007 (4 Sa 1152/06, NZA 2007, 813). Umstritten ist u.a., ob eine im Wege der Entgeltumwandlung vom Arbeitgeber zugesagte betriebliche Altersversorgung dem umgewandelten Barlohn "wertgleich" ist, wenn die Abschlusskosten des Versicherers auf die ersten Prämien angerechnet werden, sodass der Rückkaufswert der Versicherung deutlich geringer ist als die Summe der gezahlten Prämien (hier: 639 Euro Rückkaufswert bei 6.230 Euro Prämiensumme).
Die 1975 geborene Klägerin war vom 1. Oktober 1991 bis zum 30. April 2005 bei der Beklagten zu einem Grundgehalt von 2.000,- Euro pro Monat beschäftigt. Am 7. März 2002 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 1. April 2002 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung über 178,00 Euro monatlich ab. Dieser Betrag war jeweils dem "NÜRNBERGER überbetriebliche Versorgungskasse e.V." zuzuwenden. Dieser hatte dabei als Versicherungsnehmer eine Rückdeckungsversicherung bei der "NÜRNBERGER Lebensversicherungs AG" abzuschließen. Begünstigte war die Klägerin. Auf Grund der Vereinbarungen waren 35 x je 178,00 Euro, insgesamt 6.230,00 Euro, von der Beklagten abgeführt worden. Mit Schreiben vom 30. Juni 2005 teilte die Versorgungskasse der Klägerin mit, es beständen verschiedene Möglichkeiten der Weiterführung, in gleicher Weise wie bisher auch im Rahmen einer Entgeltumwandlung bei einem neuen Arbeitgeber, Beitragsfreistellung der Versicherung bis zum vereinbarten Leistungsendalter unter Reduzierung der jährlichen Rente auf 45,00 Euro, Weiterführung der abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung als private Rentenversicherung und Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft auf sie, wobei der vorhandene Versicherungswert in Höhe von 639,00 Euro einkommensteuerpflichtig sei, oder Auszahlung des vorhandenen Wertes der Rückdeckungsversicherung im Rahmen einer Abfindungsregelung nach § 3 BetrAVG in Höhe von 639,00 Euro abzüglich Verwaltungsgebühr, oder auch Stilllegung der Versorgung. Die Versorgungskasse teilte dann später mit, sie habe die Versicherung zum 1. Mai 2005 "stillgelegt".
Die Klägerin begehrt die Differenz zwischen 639,00 Euro und den abgeführten 6.230,00 Euro. Sie hält gezillmerte Tarife für unzulässig. Der Beklagte schulde die Differenz wegen Verletzung der Beratungs- und Informationspflichten unabhängig von einem Verschulden. Dies folge aus dem Gebot der Wertgleichheit. Weiter ergebe sich dieser Anspruch aus § 307 BGB wegen Verletzung des Transparenzgebots und inhaltlicher Unangemessenheit. Die zu ihren Gunsten abgeschlossene Versicherung sei auch nicht bedarfsgerecht, da in Anbetracht der Tatsache, dass Arbeitsverhältnisse gegenwärtig durchschnittlich nur knapp fünf Jahre andauerten, gezillmerte Verträge und solche mit Stornoabzug generell ungeeignet seien. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin sei die Problematik hinsichtlich der Rückerstattung von Beiträgen und deren Höhe bei vorzeitiger Vertragsbeendigung bekannt gewesen. Gezillmerte Tarife seien wirksam. Ein etwaiger höherer Anspruch könne sich allenfalls gegen die Versicherung richten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

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3 Kommentare

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Seit heute morgen ist auf der Homepage des Bundesarbeitsgerichts der Hinweis aufzufinden, dass die Revision zurückgenommen wurde. Das ist bedauerlich, sicher wäre ich nicht der einzige gewesen, den diese Entscheidung sehr interessiert hätte.

Meiner Auffassung nach, kann es - ungeachtet der Frage, ob gezillmerte Tarife nun tatsächlich gegen die Wertgleichheit verstoßen oder nicht - nicht richtig sein, bei einer Annahme des Verstoßes von der Unwirksamkeit der gesamten Entgeltumwandlung auszugehen. Dies hätte zur Folge, dass diejenigen Arbeitnehmer, zu deren Nachteil gegen die Wertgleichheit verstoßen wird komplett aus dem Schutzbereich des BetrAVG fallen würden und im schlimmsten Falle nichteinmal Insolvenzschutz bestünde, da bei Nichtigkeit der Entgeltumwandlung überhaupt keine betriebliche Altersversorgung, und somit auch keine unverfallbare Anwartschaft, vorliegt! Hier verbliebe lediglich der Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber.

Der Schutzzweck des BetrAVG soll doch gerade den Arbeitnehmern eine wertgleiche Anwartschaft garantieren, also kann richtigerweise nur ein "Nachbesserungsanspruch" gegen den Arbeitgeber die Folge des Verstoßes gegen die Wertgleichheit sein und nicht von der Unwirksamkeit der gesamten Umwandlungsvereinbarung ausgegangen werden.

Eine Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung in diesem Fall widerspräche auch der Konzeption der Entgeltumwandlung, die gesetzliche Rentenversicherung auf Dauer zu entlasten, da die Versorgungsvereinbarung komplett nichtig wäre und die Betriebsrente somit vernichtet wird.

Mich würden Ihre Meinungen hierzu interessieren.

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Sehr geehrter Herr Rumberger,
die Auffassung des LAG Münchens (4 Sa 1152/06) teile auch ich nicht. Wenn der rechtliche Ansatzpunkt tatsächlich die "Wertgleichheit" (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG) sein sollte, dürfte die Rechtsfolge einer "wertungleichen" Umwandlungsvereinbarung wohl nicht die Nichtigkeit des Vertrages, sondern ein Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers auf wertgleiche Versorgung sein. Das hätte im konkreten Fall allerdings zur Abweisung der Klage (die ja nicht auf Verschaffung des Versorgungsanspruchs in "wertgleicher" Höhe, sondern auf Nachzahlung des umgewandelten Arbeitsentgelts gerichtet war) führen müssen.
In der Sache glaube ich, dass gegen die Zillmerung keine Bedenken bestehen. § 169 Abs. 3 Satz 2 VVG n.F. lässt eine Zillmerung der Abschlusskosten auf fünf Jahre ausdrücklich zu. Da mit dieser - im VVG 2008 neuen - Bestimmung der Verbraucherschutz verbessert werden sollte, müsste eine solche Zillmerung in Altverträgen (wie im Streitfall) erst recht zulässig sein.
Im Übrigen muss man bedenken, dass eine Beschränkung der Zillmerung die vertragstreuen Partner gegenüber denjenigen, die ihren Vertrag vorzeitig aufkündigen, benachteiligt: Wenn man die Abschlusskosten des Versicherers auf die gesamte Vertragslaufzeit umlegt, müssen diejenigen, die den Vertrag bis zum Ende bedienen, mit ihren Prämien die Abschlusskosten für diejenigen, die die Versicherung vorzeitig kündigen oder prämienfrei stellen, teilweise mittragen. Mir leuchtet nicht ein, warum die Rechtsordnung den Vertragstreuen mit Kosten belasten soll, die durch die Vertragsuntreue eines Dritten entstehen.

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Am 15.9.2009 hat das BAG einen anderen Fall zur Zillmerung entschieden. Danach scheint die "voll Zillmerung" unzulässig zu sein und eine fünf-Jahres Verteilung der Abschlusskosten erforderlich.

 

Daraus ergeben sich für mich folgende Fragen:

 

  1. Kann es sein, dass der Arbeitgeber möglicherweise doch nicht haftet? Und wenn ja, welche Fälle sind dies?
     
  2. Verjähren Ansprüche des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber erst nach 30 Jahren (vgl. § 18a BetrAVG) ?
     
  3. Müssen Arbeitgeber die in den letzten Jahren aufgelaufenen Fälle (ausgeschiedene Arbeitnehmer, bzw. Kündigungen von Verträgen im laufenden Arbeitsverhältniss oder Beitragsfreistellungen/reduzierungen) klären und für die Ansprüche Rückstellungen bilden? Wenn ja, wie weit müssen sie zurückgehen?
     
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