Gesetzentwurf: Neue Tatbestände im Staatsschutzstrafrecht - oder wie weit darf der Gesetzgeber im Vorfeld kriminalisieren?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 26.12.2008

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen haben sich die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) über einen Gesetzentwurf geeinigt, der die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten ahnden soll. Das Aufnehmen oder Unterhalten von Beziehungen zu einer terroristischen Vereinigung soll in Zukunft strafbar sein, wenn dies in der Absicht geschieht, sich an der Begehung solcher Straftaten unterweisen zu lassen. Außerdem werden neue Straftatbestände gegen das Verbreiten von Anleitungen zur Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten geschaffen.

Feinjustierung des strafrechtlichen Instrumentariums

Die 2001 nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center verabschiedeten Sicherheitspakete I und II hätten erfolgreich zur Terrorabwehr in Deutschland beigetragen, nun werde das strafrechtliche Instrumentarium an einigen Punkten feinjustiert, so Zypries. Die vorgeschlagenen drei neuen Straftatbestände sollten helfen, Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von terroristischen Gewalttaten über das bestehende gesetzliche Instrumentarium hinaus noch gezielter strafrechtlich erfassen zu können. «Ergänzungsbedarf gibt es insbesondere für Fälle, in denen einzelne Täter ohne Bezug zu einer terroristischen Vereinigung aktiv sind», erläuterte Zypries. Die Koalitionsfraktionen haben angekündigt, die Einigung mitzutragen.

Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat

§ 129a StGB und § 129b StGB knüpfen die Strafbarkeit des Bildens oder Unterstützens einer terroristischen Vereinigung an die Gefährlichkeit, die von einer mindestens drei Mitglieder umfassenden Gruppe ausgeht. Die Struktur des Terrorismus hat sich im Vergleich zu den 70er Jahren nach Angaben des Bundesjustizministeriums jedoch verändert – anders als bei der RAF handele es sich bei islamistischen Tätern nicht selten um Täter, die ohne feste Einbindung in eine hierarchisch aufgebaute Gruppe in nur losen Netzwerken oder allein agieren, so dass die § 129a StGB und § 129b StGB auf sie nicht angewendet werden könnten. Die von ihnen ausgehende Gefahr sei aber dennoch erheblich. Künftig soll es im Staatsschutzstrafrecht daher einen neuen § 89a StGB geben, der die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren unter Strafe stellt. Der Tatbestand beschränkt sich laut Zypries auf die Vorbereitung von Straftaten aus dem terroristischen Kernbereich, wie sie in § 129a Abs. 1 StGB aufgeführt sind, wenn diese Taten bestimmt und geeignet sind, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen oder die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben. Es würden Täter erfasst, die solche Taten vorbereiten, aber mangels Bestehen oder Nachweisbarkeit einer terroristischen Vereinigung derzeit nicht nach § 129a StGB oder § 129b StGB bestraft werden können. Damit machten sich auch die Einzeltäter strafbar, deren Handlungen nicht als Verbrechensverabredung dem geltenden § 30 Abs. 2 StGB unterfallen.

Eingrenzung der Strafbarkeit durch genaue Unschreibung

Um eine unverhältnismäßige Ausweitung der Vorfeldstrafbarkeit zu vermeiden, werden die strafbaren Vorbereitungshandlungen nach Auskunft des Ministeriums genau umschrieben. Daneben nehme der Entwurf die notwendige rechtsstaatliche Begrenzung dadurch vor, dass alle unter § 89a Abs. 2 Nr. 1-4 des Entwurfs beschriebenen Tathandlungen den Vorsatz erforderten, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten. Ohne diesen Vorsatz entfalle die Strafbarkeit. Im Einzelnen definiere der neue § 89a StGB-E abschließend folgende strafbare Vorbereitungshandlungen: die Ausbildung und das Sich-Ausbilden-Lassen, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen, die Herstellung, das Sich-Verschaffen, Überlassen oder Verwahren von bestimmten Waffen, bestimmten Stoffen (zum Beispiel Viren, Gifte, radioaktive Stoffe, Flüssigsprengstoffe) oder besonderen zur Ausführung der vorbereiteten Tat erforderlichen Vorrichtungen (wie beispielsweise Zündern) sowie, das Sich-Verschaffen oder Verwahren von wesentlichen Gegenständen oder «Grundstoffen», um diese Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen herzustellen und zuletzt auch die Finanzierung eines Anschlags

Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat

Nach dem neuen § 89b StGB-E soll mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer in der Absicht, sich in der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat unterweisen zu lassen, Beziehungen zu einer terroristischen Vereinigung aufnimmt oder unterhält. Erfahrungsgemäß gehe dem Aufenthalt in terroristischen Ausbildungslagern die Vermittlung durch Personen voraus, die terroristischen Vereinigungen zugerechnet werden können, so das Ministerium. Die neue Vorschrift ermögliche es, mit strafrechtlichen Mitteln gegen Personen vorzugehen, die sich beispielsweise in so genannten terroristischen Ausbildungslagern die zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat erforderlichen Fertigkeiten aneignen wollen und zu diesem Zweck Kontakt zu Mitgliedern oder Unterstützern einer terroristischen Vereinigung aufnehmen.

Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat

Das Internet als weltweiter Kommunikationsraum habe als Propagandamedium für Terroristen in erheblichem Umfang an Bedeutung gewonnen, so das Ministerium. Auf vielen Internetseiten seien Anleitungen für die Herstellung von Sprengstoffen, den Bau von Sprengvorrichtungen oder die Ausbildung in terroristischen Trainingslagern im Kontext beispielsweise mit islamistischer Hetzpropaganda zu finden. Trotz der von ihnen ausgehenden Gefahr solcher Anleitungen erfassten die bereits geltenden Strafvorschriften, die das Anleiten zu Straftaten ahnden, also § 111 StGB und § 130a StGB, diese bislang nicht hinreichend. Nach geltendem Recht müsse entweder nachgewiesen werden, dass sich die verbreiteten Schriften auf eine konkrete Tat beziehen oder dass der Täter die Absicht verfolge, bei einem anderen die Bereitschaft zur Begehung schwerer Straftaten zu wecken oder zu fördern. Die dadurch entstehenden Probleme der Praxis soll der neue § 91 StGB lösen. Die Vorschrift erfasse das Verbreiten oder das Anpreisen von terroristischen «Anleitungen» – beispielsweise im Internet – und bedrohe diese Verhaltensweisen mit bis zu drei Jahren Haft, wenn die Umstände der Verbreitung der Anleitung geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen. Entscheidend sei, dass nicht mehr auf die Absicht des Täters abgestellt werde. Statt dessen solle es künftig ausreichen, dass die Umstände der Verbreitung der jeweiligen Anleitung, beispielsweise im Rahmen einer islamistischen oder auch rechtsextremistischen Webseite, objektiv geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine Gewalttat mit einer staatsschutzrelevanten Zielsetzung zu begehen.

Begleitregelungen im Verfahrensrecht

Ergänzt werden die neuen Tatbestände im Strafgesetzbuch durch Begleitregelungen. So sollen die Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung von Straftaten nach den neuen Vorschriften auf die Ermittlungsmaßnahmen zurückgreifen können, die bereits nach geltendem Recht zur Verfügung stehen, beispielweise Durchsuchung oder Beschlagnahme. Soweit es um die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten geht im Sinne von § 89a StGB-E, solle den Strafverfolgungsbehörden darüber hinaus auch die Möglichkeit der Wohnraumüberwachung und der Telefonüberwachung zur Verfügung stehen. Für Strafverfahren wegen der neuen Tatbestände der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a StGB-E und der Aufnahme von Beziehungen zu einer terroristischen Vereinigung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89b StGB-E sollen die Staatsschutzgerichte zuständig sein, was durch den Staatsschutzcharakter der Vorschriften und die Komplexität der zugrundeliegenden Sachverhalte begründet s ei. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof habe die Möglichkeit, bei Straftaten nach § 89a und § 89b StGB-E die Strafverfolgung zu übernehmen, wenn es sich um einen Fall mit besonderer Bedeutung handelt, sogenanntes Evokationsrecht.

Begleitregelungen im Aufenthaltsrecht

Ergänzt werden sollen auch aufenthaltsrechtliche Regelungen, so das Ministerium abschließend. Eingeführt werde ein neuer Regelausweisungstatbestand, der die bisherigen Regelausweisungstatbestände im Hinblick auf die Zielrichtung des neuen § 89a StGB-E ergänze. So könnten bei Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für die Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten regelmäßig aufenthaltsrechtliche Maßnahmen getroffen werden. Diese seien zum einen die Ausweisung mit der Folge, dass der Aufenthaltstitel nach § 51 Abs. 1 Nummer 4 AufenthG erlischt, eine Abschiebung grundsätzlich möglich ist, und ein Aufenthalts- und Einreiseverbot nach § 11 Abs. 1 S. 1 des AufenthG besteht. Zudem soll die Möglichkeit der Zurückweisung an der Grenze gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 des AufenthG gegeben werden, um Ausländer, die im Ausland schwere staatsgefährdende Gewalttaten vorbereiten, nach Möglichkeit bereits an der Einreise zu hindern.

Weiterführende Links

Pressemitteilung des BMJ

Deckers/Heusel, Strafbarkeit terroristischer Vorbereitungshandlungen - rechtsstaatlich nicht tragbar, ZRP 2008, 169

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