BGH verschärft Verurteilung wegen tödlich verlaufendem Autorennen

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 21.11.2008

Sachverhalt

Am 30.3.2007 kam es auf der Bundesstraße B 33 zwischen Stuttgart und Konstanz zu einem tödlichen Verkehrsunfall, als zwei der Angeklagten mit ihren PKWs, einem getunten VW-Golf und einem Porsche Carrera, mehrere abgesprochene " Beschleunigungsrennen" durchführten. Als sie während eines dieser Rennen mit einem zeitlichen Abstand von nur 30 cm nebeneinander auf der zweispurigen Straße mit einer Geschwindigkeit von mehr als 200 km/h das Fahrzeug eines unbeteiligten Verkehrsteilnehmers überholten, gelangte  der VW Golf mit den Rädern auf den Grünstreifen neben der Mittelleitplanke. Bei dem Versuch, das Fahrzeug wieder auf die Fahrbahn zurück zu steuern, geriet der Pkw ins Schleudern und überschlug sich.Der Fahrer und der Beifahrer  - beide waren nicht angeschnallt - wurden dabei aus dem Fahrzeug geschleudert. Der Beifahrer verstarb an den hierbei erlittenen Verletzungen.

LG Konstanz Urteil vom 28.2.2008  - 4 KLs 50 Js 927/07

Die beiden an dem Rennen beteiligten Fahrer verurteilte das LG Konstanz wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs jeweils zu einer Fallstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, den Beifahrer in dem nicht verunfallten Pkw Porsche wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Weiterhin wurde der alle drei Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und Sperren für deren Wiedererteilung angeordnet.

BGH Urteil vom 20. 11. 2008 - 4 StR 328/08

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hat der "Verkehrssenat" des BGH das Urteil bezüglich der beiden Fahrer im Schuldspruch dahin verschärft, dass sie auch der fahrlässigen Tötung schuldig sind. Das Landgericht wird über die Rechtsfolgenaussprüche neu zu entscheiden und bezüglich der Strafaussetzung zur Bewährung auch Gesichtspunkte der Generalprävention zu berücksichtigen haben. Die Rechtsmittel der Angeklagten wurden verworfen.

Aus meiner Sicht

Wie bei diesem Sachverhalt zunächst nicht auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung erfolgte, ist unverständlich. Bemerkenswert ist, dass der BGH ausdrücklich betont, dass im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung auch Gesichtspunkte der Generalprävention zu berücksichtigen sind. Denn aus meiner Sicht als Revisionsrichter fällt auf, dass die Tatrichter bei der Aussetzungsentscheidung - wohl aus Vorsicht gegenüber dem Revisionsgericht -  nur selten den Strafzweck der Generalprävention argumentativ einbringen.

Hinweis: Die schriftlichen Entscheidungsgründe des BGH liegen nicht vor. Bislang findet sich nur die Pressemitteilung auf der Homepage des BGH.

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1 Kommentar

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Sehr geehrter Herr von Heintschel-Heinegg, sehr geehrter Herr Krumm,

spannende Entscheidung! Mich enttäuscht ein wenig die apodiktische Behandlung der einverständlichen Fremdgefährdung (Rz. 25): wo liegt etwa der Unterschied zum Schulfall, dass ein Beifahrer eigenverantwortlich mit einem Betrunkenen mitfährt? Der BGH scheint mir die Möglichkeit einer einverständlichen Fremdgefährdung nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen: er deutet an, dass es auf die "tatsächliche Situation" (scil. wer Fahrer war) beim Schadenseintritt ankomme. Damit wäre man aber wieder bei einer Abgrenzung nach Tatherrschaftskriterien: doch wer die Herrschaft innehat, gefährdet sich ohnehin selbst, welcher Raum soll also für die Rechtsfigur der einverständlichen Fremdgefährdung bleiben? Nach den von Roxin entwickelten Kriterien (gleiche Übersicht über das Risiko, nur dieses Risiko darf sich im Erfolg realisieren) halte ich es für denkbar, sie hier anzuwenden.
Weiter arbeitet der BGH - wie üblich - mit der Einwilligung und wendet (strafschärfend analog?) "Normzweck" oder "Rechtsgedanken" (Rz. 28) von §§ 228/216 auf Fahrlässigkeitsdelikte an - auch keine Selbstverständlichkeit. Wie sehen Sie das?

Mit besten Grüßen,

Benjamin Roger

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