LAG Niedersachsen zur Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber im öffentlichen Dienst

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 30.10.2008

Der öffentliche Dienst sieht sich häufig Entschädigungsansprüchen durch abgelehnte schwerbehinderte Stellenbewerber ausgesetzt. Ursache hierfür ist u.a. § 82 SGB IX, der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zum Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn nicht „die fachliche Eignung offensichtlich fehlt“. Schwerbehinderte Bewerber, die gar nicht erst eingeladen worden sind, tragen diesen Umstand dann als Indiz (§ 22 AGG) einer gegen § 7 i.V. mit § 1 AGG verstoßenden Benachteiligung vor (ausführlich dazu Diller NZA 2007, 1321).

In diesem Zusammenhang bemerkenswert ist ein jetzt veröffentlichtes Urteil des LAG Niedersachsen (vom 24.4.2008 – 4 Sa 1077/07): Der beklagte Landkreis hatte eine Stelle im Justiziariat wie folgt ausgeschrieben „Ihre Aufgabe: Rechtsberatung einschließlich Prozessführung für die gesamte Kreisverwaltung. Wir erwarten ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften, I. oder II. Staatsexamen. Gewünscht werden besondere Kenntnisse im allgemeinen und besonderen Verwaltungsrecht.“ Der schwerbehinderte Kläger, der beide Staatsexamina mit „ausreichend“ bestanden hatte, wurde – wie alle anderen Bewerber mit solch schlechten Examensnoten – nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Seine auf Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG) gerichtete Klage wies das LAG Niedersachsen ab: Zwar könne zugunsten eines Bewerbers unterstellt werden, dass der Verstoß gegen das Einladungsgebot des § 82 SGB IX die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung begründe. Weise der Arbeitgeber durch Vorlage des vor der Stellausschreibung erstellten Anforderungsprofils aber nach, dass die Bewerber über ausgezeichnete Rechtskenntnisse verfügen sollten, die durch entsprechende Examensnoten dokumentiert sein sollten und lasse er ohne nähere Prüfung auf der ersten Stufe alle Bewerbungen mit der Note „ausreichend“ in beiden Examina aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheiden, gelinge ihm dadurch der Entlastungsbeweis, dass er bei der Vorauswahl nicht an die Behinderteneigenschaft des Bewerbers angeknüpft habe.

Der Kläger hat die vom LAG zugelassene Revision eingelegt. Das Verfahren ist beim BAG unter 9 AZR 431/08 anhängig.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen