Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses trotz Freistellung von der Arbeit

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.10.2008

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass das sozialversicherungsrechtliche "Beschäftigungsverhältnis" (§ 7 Abs. 1 SGB IV) auch dann bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortbesteht, wenn der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist (oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages) freigestellt wird (Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 10/07 R). Damit bestätigt das Gericht eine jahrzehntelange Rechtsprechung, die durch eine im Sommer 2005 geänderte Praxis der Sozialversicherungsträger in Frage gestellt worden war.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 1951 geborene Kläger war seit Juli 1980 bei der beklagten Krankenkasse versicherungspflichtig beschäftigt und gleichzeitig bei ihr (freiwillig mit Anspruch auf Krankengeld) krankenversichert. Die Beteiligten schlossen am 8.9.2004 einen arbeitsgerichtlichen Vergleich, demzufolge das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 30.6.2005 aufgehoben wurde, der Kläger unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt wurde und sich die Beklagte verpflichtete, die arbeitsvertragliche und/oder tarifvertragliche Vergütung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen. Durch Bescheid vom 5.10.2004 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab dem 11.9.2004 ohne Anspruch auf Krankengeld krankenversichert sei, und setzte den monatlichen Beitrag ab dem 1.10.2004 für die Krankenversicherung des Klägers als nicht erwerbstätiges freiwilliges Mitglied auf 477,79 € fest. Mit weiterem Bescheid vom 19.10.2004 stellte die Beklagte als zuständige Einzugsstelle fest, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zum 10.9.2004 geendet habe. Auf die Widersprüche des Klägers erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 28.2.2005.

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 14.11.2006 abgewiesen. Das LSG hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 11.9.2004 bis 30.6.2005 in der Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war. Es hat ferner festgestellt, dass der Kläger in dieser Zeit in der freiwilligen Krankenversicherung Mitglied der Beklagten als Beschäftigter oberhalb der Versicherungspflichtgrenze war. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten.

Hinsichtlich des beitragsrechtlichen Status des Klägers im Rahmen seiner freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem 12. Senat des BSG einen Teil-Vergleich geschlossen.

im Übrigen ist die Revision der Beklagten zurückgewiesen worden. Das LSG ist nach zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum im Sinn der Regelungen über die Versicherungspflicht gegen Entgelt abhängig beschäftigt war. Der Begriff der Beschäftigung setzt insofern zum einen voraus, dass ein Rechtsverhältnis (z.B. ein Arbeitsverhältnis) vorliegt, das die Erbringung von Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zum Inhalt hat, und fordert zum anderen, dass dieses Rechtsverhältnis auch vollzogen wird. Der 12. Senat hat u.a. für Fälle der vorliegenden Art bereits entschieden, dass von einem derartigen "Vollzug" nicht allein bei tatsächlicher Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ausgegangen werden kann. So hat er in einer Entscheidung vom 18.9.1973 (BSGE 36, 161) eine Beschäftigung auch dann angenommen, wenn dem Arbeitnehmer bei gleichzeitiger Freistellung von der Arbeitspflicht und Zahlung von Entgelt schon vor Arbeitsaufnahme gekündigt worden ist. Er hat außerdem entschieden, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs der sich hieraus ergebende Beendigungszeitpunkt auch das Ende der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung bestimmt. Diese Rechtsprechung ist in einem Urteil vom 25.10.1990 (12 RK 40/89) insbesondere ausdrücklich auch für Sachverhalte der vorliegenden Art fortgeführt worden, in denen das vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses zeitlich nach dem Vergleichsabschluss liegt und der Arbeitnehmer für die Zeit bis dahin von jeglicher Arbeitspflicht freigestellt wurde. Diese Rechtsprechung des Senats ist mittlerweile durch gesetzliche Bestimmungen, die u.a. für den Beginn der Versicherung vom Erfordernis einer tatsächlichen Arbeit absehen, bestätigt worden.

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1 Kommentar

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Der Beitrag scheint sachlich richtig zusein. Aber für einen "Laien" doch etwas verwirrend.

 

Bleibt die Frage, wenn ein Arbeitnehmer von einer Krankenkasse Krankengeld bezieht und in dem Bezugszeitraum sich mit dem Arbeitgeber auf einen Aufhebungsvertrag einigt.

Dieser würde z.B. eine Freistellung bis Tag X  mit den normalen Bezügen beinhalten.

Dem Arbeitnehmer vom behandelten Arzt als nicht arbeitsfähig bescheinigt wird.

Erhält der Arbeitnehmer dann noch das Krankengeld und muss weiterhin eine AU ausgestellt werden?

 

Manfred Steuer

 

 

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