Online-Durchsuchung: Expertenanhörung zum BKAG-Entwurf

von Jan Spoenle, veröffentlicht am 11.09.2008

Am kommenden Montag, dem 15.09. veranstaltet der Innenausschuss des Bundestages eine Expertenanhörung zum Entwurf der Neuregelung des BKA-Gesetzes, das unter anderem die Befugnis zur Online-Durchsuchung, zur Quellen-TKÜ und weiteren umstrittenen Ermittlungsmaßnahmen enthält. Wer an der Meinung der befragten Rechtsexperten interessiert ist, braucht jedoch nicht bis Montag zu warten: Auf einer Website des Bundestages sind sämtliche Stellungnahmen bereits als PDF-Dateien abrufbar - und die Lektüre lohnt sich ebenso sehr, wie die Meinungen der Experten auseinandergehen:

Prof. Dr. Christoph Gusy von der Universität Bielefeld kritisiert etwa die Unübersichtlichkeit und Detailverliebtheit des Gesetzentwurfs und plädiert für eine allgemeine, vor die Klammer gezogene Norm zum Kernbereichsschutz, der aktuell pro entsprechender Vorschrift separat und teils ungleich geregelt werden soll. Zudem steht Gusy auf dem Standpunkt, dass die wörtliche Übernahme von Ausführungen des BVerfG jedenfalls bei intensiven Grundrechtseingriffen nicht statthaft ist - stattdessen seien eigenständiger Gestaltungswille und Gestaltungsinhalt des Gesetzgebers notwendig.

Ins gleiche Horn stößt Prof. Dr. Martin Kutscha von der FHVR Berlin und verweist darauf, dass die Formulierungen des BVerfG als äußerste Grenze dessen zu sehen sind, was verfassungsrechtlich noch zulässig sein kann. Im Übrigen befürchtet Kutscha den Aufbau eines "deutschen FBI", dass in Konkurrenz zu den Polizeien der Länder steht.

Prof. Dr. Hansjörg Geiger, ehemaliger Präsident des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes, sieht hier ebenfalls Probleme: Neben Abgrenzungsfragen zu den Polizeien der Länder ergäben sich auch Überlagerungen mit den Tätigkeiten der Geheimdienste - das BKA erhalte damit endgültig eine Sonderstellung, die eventuell einer besonderen parlamentarischen Kontrolle bedürfe. In Bezug auf den Kernbereichsschutz und die Regelung der Online-Durchsuchung kritisiert Geiger den Entwurf im Wesentlichen als unzureichend bzw. als zu weitgehend und weist auf das Problem der Kumulation heimlicher Maßnahmen hin, das unzureichend berücksichtigt worden sei.

Dagegen hält Prof. Dr. Markus Möstl von der Universität Bayreuth die zum Kernbereichsschutz getroffenen Regelungen für einwandfrei und unbedenklich; auch wenn er ebenfalls die "beklagenswerte Tendenz" zu immer unübersichtlicheren Regelungen im Sicherheitsrecht erwähnt, vertritt er zur Online-Durchsuchung die Ansicht, dass der Gesetzgeber hier die vom BVerfG geschaffenen Spielräume sogar nicht einmal voll ausschöpfe und dessen Regelung auch insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich sei.

Noch einen Schritt weiter geht Prof. Dr. Dirk Heckmann von der Universität Passau, der bereits das Land Nordrhein-Westfalen in Sachen Online-Durchsuchungen vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten hatte: Seiner Ansicht nach ist es dem Gesetzgeber gelungen, den "verfassungsrechtlichen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und Normenbestimmtheit umfassend Rechnung zu tragen". Die Regelungen seien "eingängig und verständlich"; das Abschreiben der Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts im Übrigen legitim.

Die meisten Experten widmen sich auch ausführlich der Frage heimlicher Durchsuchungs- bzw. Betretensrechte, die im Gegenzug zur Bayerischen Regelung nicht im BKAG-Entwurf enthalten sind und über die bereits an anderer Stelle hier im Beck-Blog ausführlich diskutiert wird. Was halten die Beck-Blog-Leser von den Stellungnahmen der Experten? Wo deckt sich der BKAG-Entwurf mit Ihrer persönlichen Auffassung - und wo nicht?

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4 Kommentare

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[...] Wer die Anhörung verpasst hat, kann sämtliche Stellungnahmen online nachlesen. Repräsentativ für die vielen divergierenden Meinungen der Rechtsexperten seien jene von Prof. Dr. Christoph Gusy von der Universität Bielefeld genannt: Er kritisiert die Unübersichtlichkeit und Detailverliebtheit des Gesetzentwurfs und plädiert für eine allgemeine, vor die Klammer gezogene Norm zum Kernbereichsschutz, der aktuell pro entsprechender Vorschrift separat und teils ungleich geregelt werden soll. Zudem steht Gusy auf dem Standpunkt, dass die wörtliche Übernahme von Ausführungen des BVerfG jedenfalls bei intensiven Grundrechtseingriffen nicht statthaft ist - stattdessen seien eigenständiger Gestaltungswille und Gestaltungsinhalt des Gesetzgebers notwendig. (via) [...]

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Unter dem 15. September 2008 findet man hier
http://blog.fefe.de/
einen recht lebhaften und etwas schnoddrigen Bericht über die Anhörung des Innenausschusses aus dem Dunstkreis des CCC, der vor allem die Extrempositionen im Originalton wiedergibt.

Prof. Gusy dürfte eher im Mittelfeld der Kritik anzusiedeln sein.

Ich weiß ja nicht ob das für ein Gesetzgebungsverfahren normal ist, mir zeichnet sich aber eher ein trauriges Bild,
wenn selbst die positivsten Stellungnahmen noch Fehler bemängeln,
wenn eine Mehrzahl der Stellungnahmen deutlich Fehler bemängelt,
und
wenn mehrere "Rechtsexperten" Verfassungsbeschwerde erheben wollen, wenn der Gesetzentwurf so durchkommt.

RA Gerhart Baum hat ebenfalls seinen entschiedenen Widerstand "angedroht".

Und BKA-Chef Zierke tritt die Flucht nach vorne an und verlangt nun für die Online-Durchsuchung das heimliche Betreten der Wohnung.

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Für Letzteres habe ich sogar Verständnis - aus technischen Gründen sowie zwecks verbessertem Schutz der informationstechnischen Systeme unbeteiligter Dritter, die unter der Streubreite von Infiltrationsversuchen über das Netz hier und da zu leiden hätten.

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Das ist zwar zutreffend, da nur der physischen Zugriff eine zuverlässige Implementierung zulässt - das hätte eigentlich von jeher gewusst werden können - macht aber nun die vom BVerfG nicht vorgenommene Überprüfung an Art. 13 GG erforderlich. Ich kann hier aber nicht ohne weiteres der Argumentation von Prof.Heckmann (Art. 13 IV) oder Prof. Möstl (Art. 13 II und Art.13 VII GG) folgen, die wohl eine Rechtfertigung durch die bestehenden Schranken als gegeben ansehen.

Im Übrigen erübrigt sich damit ja noch keineswegs, dass sich die Parlamentarier umfassend mit dem OB der ganzen Befugnisse auseinandersetzen. Es scheint jedoch schon nur noch um verfassungsrechtliche Schadenbegrenzung zu gehen.

Mit den Worten Gerhart Baums: "Es ist ein politisches Armutszeugnis, wenn über die Zweckmäßigkeit und politische Klugheit eines Gesetzes nicht mehr diskutiert wird. Leider beschränken sich die meisten Sachverständigen einseitig auf die verfassungsrechtliche Prüfung des Gesetzes, ohne ihn rechtspolitisch zu bewerten."

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