Googles neues Zeitungsarchiv

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 09.09.2008

Im Zuge seiner Digitalisierungsbemühungen möchte Google nun auch die Bestände von Zeitungsarchiven und vergleichbaren Datensammlungen digitalisieren und im Rahmen des Produkts "Google News" anbieten.

Eine Beta-Version ist seit dieser Woche unter http://news.google.com/archivesearch zugänglich. Nähere Informationen können unter http://news.google.com/archivesearch/about.html eingesehen werden.

Ich frage mich, wie Google das Projekt urheberrechtlich legitimieren will. Machen die das wieder so wie bei den Büchern? Erst einmal machen und dann hinterher juristische Beschwerden kassieren?

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22 Kommentare

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nee, angeblich wollen sie diesmal alles anders machen und brav bei den zeitungsverlagen anfragen, bevor die die digitalisate online stellen.

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Bei sehr alten Zeitungen (z.T. mehrere hundert Jahre alt) stellt sich die Frage nach dem Urheberrecht gar nicht. Und kleinere Zeitungen, die sich kein Archiv leisten können, freuen sich sogar und machen freiwillig mit.

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§ 1

Die Google-Archivsuche ist schon lange freigeschaltet, also nichts Neues (auch wenn die meisten davon nichts mitbekommen haben). Mir war sie schon seit mindestens 1-2 Jahren bekannt.

§ 2

Die Digitalisierung soll in Kooperation mit den Zeitungsverlagen erfolgen.

§ 3

Das entscheidende Problem bei allen solchen Projekten ist, dass es hinreichend viele Urheber gibt, die ihre Online-Nutzungsrechte den Verlagen nicht eingeräumt haben. Dieses Problem stellte sich auch der Digitalisierung von Zeitschriften z.B. bei DigiZeitschriften, das ein eklatanter Rechtsbruch ist. Weder der Börsenverein noch die VG Wort können massive Urheberrechtsverletzungen heilen. Dass diese vorliegen, gibt der Rückzug von Klostermann aus DigiZeitschriften aufgrund der Rückrufe von Autoren klar zu erkennen:

http://www.klostermann.de/verlegen/vek_8.htm

§ 4

Das Problem muss de lege lata im Rahmen einer gesetzlichen Lösung des Problems der "verwaisten Werke" (englisch: Orphans) gesucht werden, da bei älteren Ausgaben die Autoren überhaupt nicht mehr kontaktierbar sind.

Es spielt urheberrechtlich keine Rolle, ob Rechtsnachfolger z.B. eines Autors von einem 1910 erschienenen, namentlich gezeichneten Zeitungsartikel (also kein anonymes Werk) greifbar sind, ob sie alle oder nur teilweise greifbar sind (bereits ein nicht auffindbarer Erbe kann die Nutzung verhindern, durch Nichtzustimmung und anschließend durch einstweilige Verfügung, wogegen er für einen Honoraranspruch auf die Mitwirkung aller anderen angewiesen wäre).

§ 5

Gemäß § 38 UrhG Abs. 3 gilt: "Wird der Beitrag einer Zeitung überlassen, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber ein einfaches Nutzungsrecht, wenn nichts anderes vereinbart ist." Der Anwendungsbereich von § 137l Abs. 4 UrhG, der eine Ausübung des Widerspruchsrechts bei unbekannten Nutzungsarten bei Sammelwerken ausschließt, ist also gar nicht gegeben, da die umfassende Rechteeinräumung nicht vorliegt.

§ 6

Das Problem stellt sich natürlich genauso bei von Bibliotheken getragenen Zeitungsarchiven, die unter

http://delicious.com/tag/Digi_Zeitungen

aufgelistet sind.

Zu beachten ist es auch von den Archiven, die Zeitungsausschnittssammlungen digital weiterführen wollen:

http://archiv.twoday.net/stories/4941726/

§ 7

Zur Rechtslage in den USA war bis jetzt vor allem die Tasini-Entscheidung relevant, die freiberuflichen Autoren einen Honoraranspruch und ein Verbietungsrecht gewährte, wenn ihre Werke in Zeitungs- und Zeitschriften-Datenbanken aufgenommen wurden:

http://en.wikipedia.org/wiki/New_York_Times_Co._v._Tasini

Inzwischen liegt Greenberg v. National Geographic Society vor, siehe etwa:

http://www.arl.org/bm~doc/greenberg-final.pdf

Sofern die Digitalisierung im Kontext der gedruckten Ausgabe erfolgt, hat der Autor demnach kein Recht gegenüber dem Verleger, die Verbreitung zu verhindern. Es ist gut möglich, dass dieses Urteil die Entscheidung Googles, wie bei Book Search Faksimiles und OCR-Text zu verbinden, beeinflusst hat.

§ 8

Öffentlich zugängliche Online-Zeitungsarchive werfen neben urheberrechtlichen auch datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Fragen auf. Es wurden in der Vergangenheit Zeitungen in Deutschland von willfährigen (insbesondere Hamburger) Richtern verurteilt, ihre Archive zu "bereinigen", siehe etwa

http://ra-blog.de/1919-Abmahnwelle-Kalle-vs.-Blogosphaere

Bekanntlich sehen Datenschützern im Internet eine ganz andere Qualität als bei gedruckten Publikationen. Sogar Suchmaschinen sind ihnen ein Dorn im Auge, weil man mit ihnen Personendaten auffinden und verknüpfen kann. Neben Menschen, die ihre Jugendsünden in den gedruckten Zeitungs-Archiven belassen und nicht online ausgestellt haben möchten, ist also auch mit Protesten fehlgeleiteter Datenschützer zu rechnen.

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Google will nach Pressemeldungen des heutigen Tages doch diesmal urheberrechtlich "Sauber" agieren und nur Material verwenden, das urheberrechtsfrei ist (wegen Fristablaufes) oder von Verlegern freigegeben ist. Aber was ist mit den Autoren? M.E. gibt es Probleme wegen § 137 l UrhG. Wie wollen die Verleger jetzt die Alt-Rechte freigeben können? Und das bei neuen Nutzungsarten? Gruss IHr TH

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Die Verlage wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie dabei nicht mitmachen m. E.

Schließlich kostet zur Zeit das Archiv nur Geld, bringt aber nichts. Kleinere und mittlere Zeitungen haben außerdem ihre eigenen Archive häufig nur für die letzten paar Jahre digital erschlossen und würden durch eine Kooperation mit Google sogar bei der eigenen Arbeit profitieren.

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Ich habe mir news.google nur kurz angesehen, es scheint mir aber in seiner Gestalt kaum vom Standarddienst abzuweichen. Sprich, man verlinkt hier auf die Seite des Anbieters, während bei books.google die Inhalte (teilweise) bei Google abrufbar sind.
Urheberrechtlich sollte es also nicht problematischer sein als der allgemeine Suchdienst.

Oder ist man gerade bei Google dabei, die Seiten der Zeitungen zu spiegeln?

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@Klaus Graf: Keineswegs in dem Sinn, den Sie sicher ansprechen - die im Beck-Blog eingesetzte Anti-Spam-Funktionalität geht leider gelegentlich etwas zu rigide zu Werke. Selbst meine eigenen Kommentare - obwohl ich hier Autor bin - wurden bereits für potentielle Spam-Kommentare gehalten und mussten dann erst manuell freigeschalten werden.

Insofern wird weder generell noch speziell im Hinblick auf bestimmte Nutzer zensiert; die Tücken der Technik sind schuld. Aber die Leistung des Filters verbessert sich stetig.

Und jetzt BTT :-)

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@ Klaus Graf

Wenn Kommentare im beck-blog nicht sofort nach dem Abschicken erscheinen, sind sie in aller Regel im Spam-Filter hängegeblieben. Der hat schon in über 9.000 Fällen echten Spam herausgefischt, manchmal (zum Glück sehr selten) erwischt es aber auch ernsthafte Kommentare wie jetzt Ihren, was sehr bedauerlich ist. Ich schaue mehrmals täglich im Spam-Filter nach und auch unsere Blogger unterstützen mich dabei, im Einzelfall kann das aber schon mal ein bisschen dauern, bis der Kommentar dann erscheint, wofür ich vielmals um Entschuldigung bitte.

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[...] stellen zu können und sich dadurch massenweise Urheberrechtsklagen einheimste, steht nun die Digitalisierung der Bestände von Zeitungsarchiven und vergleichbaren Datensammlungen an. Diese dadurch gewonnenen Informationen sollen über Google [...]

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"Ich frage mich, wie Google das Projekt urheberrechtlich legitimieren will."

Siehe http://www.heise.de/newsticker/Google-digitalisiert-Zeitungsarchive--/me...

"Zwar haben manche großen Zeitungen ihr Archiv bereits selbst digitalisiert, doch viele kleine können sich das nicht leisten. Google bietet diesen an, nicht nur die Kosten für das Einscannen zu übernehmen, sondern ihnen auch einen Anteil der Werbeeinnahmen zu zahlen, die durch die Google-Website erzielt werden, auf der die Artikel kostenlos zugänglich gemacht werden."

"Aber was ist mit den Autoren?"
Einfach: Sehr kompliziert ;) Die meisten Artikel werden von angestellten Autoren stammen, so dass sich das Problem nicht stellt. Andernfalls ist es eine am 1.1.08 bekannte Nutzungsform, so dass die Jahresfrist bis zum 1.1.09 läuft.
Im Regelfall gilt aber sicherlich Absatz 4:

"Sind mehrere Werke oder Werkbeiträge zu einer Gesamtheit zusammengefasst, die sich in der neuen Nutzungsart in angemessener Weise nur unter Verwendung sämtlicher Werke oder Werkbeiträge verwerten lässt, so kann der Urheber das Widerspruchsrecht nicht wider Treu und Glauben ausüben."

Es geht ja um die Zeitungen insgesamt und der einzelne Artikel wird selten über den Anwendungsbereich des §49 II UrhG hinausgehen. Da der §49 UrhG insgesamt offensichtlich Tageszeitungen nur in ihrem Gesamtbestand schützt (also den Herausgeber/Verleger und nicht den Autor) wird da viel Raum zum Streiten bleiben. Wahrscheinlich kann sich Google letztlich darauf verlassen, dass (bei Zustimmung der Herausgeber) und einem veröffentlichen nach dem 1.1.09 nur eine Handvoll Streitfälle übrig bleibt.

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@Jens:

> "Die meisten Artikel werden von angestellten Autoren stammen, so dass sich das Problem nicht stellt. Andernfalls ist es eine am 1.1.08 bekannte Nutzungsform, so dass die Jahresfrist bis zum 1.1.09 läuft."

Ich denke, die Mehrzahl der Artikel dürften entweder von freien Autoren kommen oder (abgewandelte) Agenturmeldungen sein. Ich denke, die Speicherung in einem elektronischen Pressearchiv ist auch keine unbekannte Nutzungsart - oder unterscheidet sich das Google-Archiv wirklich grundsätzlich von herkömmlichen elektronischen Archiven (z.B. Lexis Nexis)?

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§ 49 UrhG ist ersichtlich völlig irrelevant hier. Die meisten Artikel sind nicht von § 49 II erfasst.

Bei fest angestellten Mitarbeitern gibt es vermutlich keine urheberrechtliche Probleme. Aber viele Artikel werden von "festen Freien" oder freiberuflichen Mitarbeitern geschrieben. Bis zu einem Wohnungswechsel erhielt ich regelmäßig von der FAZ ein Anschreiben wegen einer Rechteübertragung, weil ich einmal einen Artikel dort geschrieben hatte. Bei freien FAZ-Mitarbeitern erfolgt bis heute keine schriftliche vertragliche Regelung. Daher gilt - ich wies darauf hin - § 38 Abs. 3 UrhG, und nach dieser Vorschrift kann für die Altfälle zwischen 1965 und 1995 nun überhaupt keine Rede davon sein, dass der Anwendungsbereich von § 137 l UrhG gegeben ist. Absatz 4 gilt nur für die Werke nach Abs. 1, wie der Hinweis auf das Widerspruchsrecht beweist. Die Zeitungsverleger haben also hinsichtlich der freien Mitarbeiter (und der urheberrechtlich geschützten Leserbriefe) schlicht und einfach nicht die erforderlichen umfassenden Rechte als dass § 137 l UrhG zum Tragen kommen könnte.

Für die Zeit vor 1965 gilt die Zweckübertragungsregel als zentrale Auslegungsregel ("in dubio pro autore") und danach kann ebenfalls keine Rede davon sein, dass die Verleger die jetzigen Online-Rechte nicht-angestellter Mitarbeiter innehaben oder auch nur ein einfaches Online-Recht. Bei Zeitungsartikeln wird man sicher nie einen schriftlichen Vertrag gemacht haben, in dem unbekannte Nutzungsrechte ausdrücklich geregelt wurden (was vor 1966 ging).

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Der Hinweis von Herrn Graf (besten Dank für Ihre ausführlichen und sehr hilfreichen Postings) auf den Zweckübertragungsgrundsatz ist interessant. Ich frage mich immer noch, wie sich der Zweckübertragungsgrundsatz zu § 31 IV aF und § 137l UrhG verhält. Mit der Abschaffung der alten Regelung zu unbekannten Nutzungsarten ist ja nicht der Zweckübertragungsgedanke abgeschafft worden. Würde der Grundsatz hier nicht dazu führen, daß zB die FAZ niemals die "Digitalrechte" für Texte etwa aus den 70er/80er Jahren erworben hat?

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Die FAZ am Sonntag berichtet, dass das International Music Store Library Project wieder freigeschaltet hat. Dort gibt es mehr als 20000 Noten klassischer Musik als fei zugängliche PDF-Files. Die Betreiber verweisen auf das sehr liberale kandoische Heimat-Urheberrecht, das viele hier noch geschützte Werke wegen Ablaufs der Schutzfrist nicht mehr schützt. Dazu gab es spannende rechtliche Auseinandersetzungenmit einem Wiener Verleger, die auch für die obige Diskussion um Googles Zeitungsarchiv interessant sind. ZB die Frage nach der Reichweite des deutschen Urheberrechts im Internet.

http://de.wikipedia.org/wiki/International_Music_Score_Library_Project

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Seien wir doch mal darauf gespannt, wie lange es dauern wird, bis die gesamte jemals geschriebene Literatur, insofern sie zugänglich ist, im Netz hinterlegt wird. Ich kann mir nicht vorstellen dass das noch sehr lange dauern wird, global und den großen Zeiten gesehen natürlich. Aktuelle Artikel die bisher schon auf Portalen wie http://www.genios-presse.de

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"Seien wir doch mal darauf gespannt, wie lange es dauern wird, bis die gesamte jemals geschriebene Literatur, insofern sie zugänglich ist, im Netz hinterlegt wird."

 

Dann kann auch endlich Mutti-Merkels Dissertation überprüft werden, allein dann ist es wohl zur weiteren politischen Schadensabwendung für alle leider schon zu spät, denn das ist viel Zeit, für jemanden in dieser Position, um weiter wie bisher zu walten und auch exorbitante Milliarden-Geldgeschenke ins Ausland zu verteilen.

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Man kann es ja auch auf Zeitungen beschränken, für die das Urheberrecht abgelaufen ist. Wie schon bei Google Books würde ich es sehr begrüßen, wenn die Literatur des 17., 18. und 19. Jahrhunderts - und entsprechend auch Zeitungen - vollumfänglich jedermann zur Verfügung stünde. Ein echter Gewinn auch für die Forschung.

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