BGH präzisiert Strafbarkeit und Anwendung von Vermögensverfall bei fingierten Gewinnspielen

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 03.06.2008

Wird der Empfänger einer Werbesendung, in der unwahre und irreführende Gewinnmitteilungen und Geschenkversprechen gemacht werden, durch diese zu einer Warenbestellung veranlasst, fällt dies in den Anwendungsbereich von § 16 Abs. 1 UWG. Dies hat der 1. Strafsenat des BGH mit Urteil vom 30.05.2008 entschieden (Az.: 1 StR 166/07) und die Verurteilung wegen strafbarer Werbung bestätigt.

Sachverhalt: Die Angeklagten waren für im Versandhandel tätige Unternehmen verantwortlich. Über ein System ausländischer Domizilgesellschaften veranlassten und organisierten sie die Versendung standardisierter Werbesendungen an Verbraucher, die mittels Adressdatenbanken personalisiert wurden und daher als persönliche Schreiben gestaltet waren. Die Sendungen, denen jeweils Warenkataloge beigefügt waren, enthielten unwahre und irreführende Gewinnmitteilungen und Geschenkversprechen. Die in den Sendungen bezeichneten Gewinne und Geschenke wurden nicht ausgekehrt, es fanden überhaupt keine Gewinnspiele statt. Die übersandten Geschenke waren nur «wertloser Plunder». Den Angeklagten kam es darauf an, mit den Werbemaßnahmen den Absatz der in den Katalogen angebotenen Waren zu fördern. Der Kundenstamm bestand vorwiegend aus älteren Personen mit geringem Bildungsniveau.

Präzisierung zu § 16 Abs. 1 UWG: Der BGH erachtet die Beurteilung des Landgerichts als zutreffend, dass die Angeklagten in der «Absicht» handelten, «den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen». Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal sei gegeben, auch wenn sich die unwahren und irreführenden Angaben nicht unmittelbar auf die Katalogwaren, sondern auf die Gewinnmitteilungen und Geschenkversprechen bezogen. Denn diese geldwerten Vorteile und die Katalogwaren stellten nach dem – für die rechtliche Bewertung maßgeblichen – Gesamteindruck der Werbesendungen insgesamt ein einheitliches «Angebot» im Sinne von § 16 Abs. 1 UWG dar: Die Geschenke sollte der Empfänger nur erhalten können, wenn er Waren im Mindestwert von 15 € bestellte. In dieser Verkettung liege der notwendige rechtliche Zusammenhang zwischen Werbung und Warenbestellung. Hinsichtlich der Gewinnmitteilungen fehle ein solcher rechtlicher Zusammenhang. Ein vertraglich vereinbartes oder gesetzliches Rückgaberecht sei bedeutungslos.

Einheitliches Angebot auch bei wirtschaftlichem Zusammenhang: Es liege auch dann ein einheitliches Gesamtangebot vor, wenn die Entscheidung der Empfänger für die Warenbestellung von den Gewinnmitteilungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beeinflusst werden soll. Dies stelle einen wirtschaftlichen Zusammenhang her. Ein solcher sei im vorliegenden Fall nach den Gesamtumständen gegeben. Insbesondere seien die Werbesendungen in der Weise gestaltet gewesen, dass für den Empfänger der Eindruck entstehen sollte, durch einen Gewinn schon begünstigt worden zu sein. Vor diesem Hintergrund erschien auch die Ware günstiger, weil der Kunde für sein Geld vermeintlich mehr erhielt als nur diese.

BGH erstreckt Verfall auf Bruttoerlös: Mit ihrer Revision hatte die Staatsanwaltschaft insbesondere zu Recht beanstandet, dass sich das Landgericht – unter unzutreffender Berufung auf ein Urteil des 5. Strafsenats des BGH vom 2. Dezember 2005 zum «Kölner Müllskandal» (NStZ 2006, 210) – gehindert sah, in Fallgestaltungen der hier gegebenen Art den Verfall über den Nettogewinn hinaus auf den Bruttoerlös zu erstrecken. Eine nebenbeteiligte Gesellschaft hatte mit ihrer Revision insoweit Erfolg, als das Landgericht nicht geprüft hatte, ob Kunden Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen die Gesellschaft hatten, die der Anordnung des Verfalls vorgehen.

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