VG Berlin: Polizei darf Geld zum Drogenkauf trotz Freispruchs im Strafverfahren sicherstellen

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 03.04.2008

Nachdem das VG Braunschweig mit Beschluss vom 18.01.2007  - 5 B 332/06, BeckRS 2007, 20938,  die präventiv-polizeiliche Sicherstellung eines Bargeldbetrags trotz Freigabe durch die Staatsanwaltschaft für zulässig erklärt hat, sofern der Betrag das zum Lebensunterhalt erforderliche übersteigt und ein Zusammenhang zwischen dem sicherzustellenden Geld und den dem Betroffenen vorgeworfenen und in Zukunft zu befürchtenden Delikten besteht, hat nunmehr das VG Berlin mit noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 28.2.2008 - VG 1 A 137.o6, Becklink 256500,  entschieden , dass die Polizei Bargeld, das zum Kauf von Drogen verwendet werden soll, zum Zweck der Gefahrenabwehr auch dann sicherstellen darf, wenn der Besitzer in einem Strafverfahren (wegen eines Beweisverwertungsverbots) freigesprochen wurde.  

Die Voraussetzungen für eine polizeiliche Sicherstellung nach § 38 Nr. 1 ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin) hätten hier zum Zeitpunkt der Maßnahme vorgelegen. Die Verwendung großer Summen Bargeldes zum Ankauf von Drogen und damit die drohende Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, selbst wenn das Geschehen noch nicht das Stadium des strafbaren Versuchs erreicht habe. Die Gefahrenprognose der Behörde sei fehlerfrei getroffen worden, auch wenn der Kläger im Strafverfahren freigesprochen worden sei. Das strafprozessuale Beweisverwertungsverbot gelte nicht automatisch auch für präventive Maßnahmen der Polizei zur Gefahrenabwehr. Vielmehr sei eine Abwägung erforderlich, die hier zugunsten des Schutzes der Volksgesundheit ausfalle. Die strafprozessuale Unschuldsvermutung gelte nicht im Bereich der Gefahrenabwehr.

Das VG Berlin hat wegen der grundsätzlich zu klärenden Frage der Verwertbarkeit rechtswidrig gewonnener Erkenntnisse aus Strafverfahren für Zwecke der Gefahrenabwehr die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

4 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Zum Urteil des VG Berlin, Az. VG 1 A 137.06, vom 28.02.2008:

In diesem Zusammenhang könnte der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, Az.2 BvR 2225/08, vom 02.07.2009 von Bedeutung sein; Tenor:

Kein Beweisverwertungsverbot nach rechtswidriger Hausdurchsuchung

Ernst Hunsicker

0

Sehr geehrter Herr Hunziker,

besten Dank, dass Sie die Dikussion mit dem wichtigen Hinweis fortführen. Ich habe mir erlaubt, in Ihrem Beitrag auf die Entscheidung zu verlinken.

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg

Sehr geehrter Herr Professor,

vielen Dank für die "Verlinkung".

Noch ein Hinweis zu dem Urteil des VG Berlin, Az. VG 1 A 137.06, vom 28.02.2008 (Aspekt "gegenwärtige Gefahr"):

Das VG Berlin stellt in seinem Urteil u.a. darauf ab, dass eine Sicherstellung ihrer Natur nach vorübergehend ist (Zitat: "Während diese Strafsanktionen die Einziehung eines Gegenstandes auf Dauer vorsehen, ist eine Sicherstellung ihrer Natur nach vorübergehend ...").

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss, Az. 2 BvR 564/95, vom 14.01.2004 ("Erweiterter Verfall ist mit dem Grundgesetz vereinbar") u.a. herausgestellt (Zitat):

"... Der korrigierende Eingriff aber, mit dem der Staat auf eine deliktisch entstandene Vermögenslage reagiert, ist nicht notwendig repressiv. Auch das öffentliche Gefahrenabwehrrecht erlaubt hoheitliche Maßnahmen, um Störungen zu beseitigen. Gefahrenabwehr endet nicht dort, wo gegen eine Vorschrift verstoßen und hierdurch eine Störung der öffentlichen Sicherheit bewirkt wurde.Sie umfasst auch die Aufgabe, eine Fortdauer der Störung zu verhindern ..." (Absatz 68)

In diesem Sinne haben auch

- das VG Berlin, Az. VG 1 A 173.98, durch Urteil vom 02.02.2000 (dazu: Beschluss OVG Berlin, Az. OVG 1 N 13.00, vom 16.09.2002 - präventive Sicherstellung von 155. 000 DM Bargeld - "illegaler Zigarettenhandel"),

- das Bay. VG Regensburg, Az. RN11 K 03.1962, durch Urteil vom 18.01.2005 (präventive Sicherstellung von 225.000 € Bargeld - "Drogenschmuggel"),

- das VG Aachen, Az. 6 K 1757/05, durch Urteil vom 15.02.2007 (präventive Sicherstellung von 93.450 € Bargeld - "Zigarettenschmuggel") und

- das OVG Lüneburg, Az. 11 LC 4/08, durch Urteil vom 02.07.2009 (Vorinstanz: VG Osnabrück, Az. 4 A 149/06, Urteil vom 08.11.2007 - präventive Sicherstellung von 27.280 € Bargeld - "Verdacht des Drogenhandels")

entschieden.

 

Im Übrigen verweise ich auf Wikipedia zu "Präventive Gewinnabschöpfung".

 

MfG

Ernst Hunsicker

0

Das Urteil des VG Berlin, Az. VG 1 A 137.06, vom 28.02.2008 ist laut Mitteilung des OVG Berlin-Brandenburg rechtskräftig: In dem Verfahren OVG 1 B 19.08 gibt es keine Sachentscheidung, das Verfahren ist wegen Rücknahme des Rechtsmittels eingestellt worden.

Ernst Hunsicker

0

Kommentar hinzufügen